Zeitungskritik 2: Funkturmkonzerte 2015
MUSIK IN DER UNVERGLEICHLICHEN TURM-AKUSTIK - Die gefragtesten Konzerte beim TONarten-Festival waren (wieder) die TONsphären
Was ist eine Maultrommel? Oder eine Mandora? Solche Instrumente von Seltenheitswert waren wieder Klangerzeuger der TONsphären beim Sasbachwaldener Festival. Im Konzertsaal des Hornisgrinde-Turms trugen sie bei zum einzigartigen Musikerlebnis.
Wie seit Sommer 2007 öffneten sich bei der ausverkauften Première am Donnerstag die Ohren für die lang nachhallende Akustik im nach oben offenen Rund, als ins erwartungsvolle Schweigen unsichtbar von oben “Die Nachtigall singt ihre Weise klagend” herabschwebte, vorgetragen vom Tenor Henning Kaiser. Klagendes Largo des Bach-Zeitgenossen Locatelli vernahmen die Zuhörer auch im Concerto Es-Dur, das der trauernden Ariadne gewidmet ist. Besinnlich-getragene Töne am Beginn der TONsphären-Programme erlauben dem Ohr sich allmählich in die langen Echo-Klänge hineinzuschmiegen – das Ohr “lernt” Transparenz. Das galt umso mehr für die tiefen Töne des zauberhaft gespielten Violoncellos von Saskia Ogilvie, als sie dessen Oberton-Reichtum in der Sarabande aus Bachs C-Dur Suite darbot.
Die Laute ist ein leises Instrument, aber ihre Töne perlten über den abgedämpften pizzicato-Teppich der fünf Streicher zum feierlichen Nachtwächter-Gesang des Ignaz Biber (1644-1704). Und Pietro Prosser, der Lautenspieler, meisterte die zweite Sarabande des Abends, aus Bachs Suite e-moll. Man hörte ihn auch als Meister der Mandora, der jüngeren Schwester der Lautenfamilie.
Schwieriger einzuordnen war der leise Klang der äußerst selten zu hörenden Maultrommel. Bliebe sie unsichtbar, dächte man eher an ein näselndes Blas- als an ein Rhythmus-Instrument. Albin Paulus war der gefeierte Künstler, der das Instrument zusammen mit der Mandora und den Streichern vorführte. Letztere bildeten ein eigenes Ensemble, als sie das Andante aus Dvoraks G-Dur-Quintett interpretierten; Gregor Dierck (1.Violine und Festspielleiter) und die Cellistin zeigten, dass ihr Vibrato in der Turm-Akustik geradezu beschwörende Intensität gewann. Nicht weniger intensiv gestalteten sie das “Molto Adagio” von Samuel Barber (1910-81). Die Finaltöne –: Man glaubte, Tonstrahlen verglimmen zu sehen...
Vielleicht aber schenkte die Empfindungstiefe der menschlichen Stimme ebenso nachhaltige Eindrücke. Der Tenor Henning Kaiser verfügt über eine eindrucksvolle Palette des Ausdrucks: Vom schlicht-ergreifenden Volkslied-Ton (Brahms’ “Da unten im Tale”) über pathetische Barockopern-Arien von Vivaldi und Händel kam er in der Zugabe (nach dem stürmischen Schlussbeifall, dem lautesten Geräusch dieses Konzerts!) auch noch zu “Frau Luna” von Paul Lincke und schmachtendem Walzer-Gesang.
az